Die Dokumentation der Opfer der NS-Herrschaft
in der Stadt Hameln und im Landkreis Hameln-Pyrmont
 

Einführung zu den Opfergruppen
 

Kapitel 3

Die Opfer unter den ausländischen zivilen Zwangsarbeitern sowie den Kriegsgefangenen

Die Opfer unter den Erwachsenen

1944 stieg die Sterblichkeit unter den Zwangsarbeitern stark an, insbesondere unter denen osteuropäischer, slawischer Herkunft. Da diese nach der Definition des NS-Rassismus einer minderwertigen Rasse angehörten, waren ihre Behandlung und Versorgung weitaus schlechter als die von nichtslawischen (westlichen) Zwangsarbeitern. Sie stellten auch das Gros derer, die wie die Kriegsgefangenen in bewachten Lagern zu leben hatten. 

Infolge der dramatisch sich verschlechternden Versorgung mit Lebensmitteln und katastrophaler hygienischer Verhältnisse, insbesondere in den überfüllten Lagern, nahmen Erkrankungen dramatisch zu. Entzündungen und Hautkrankheiten grassierten. Von Hungerödemen wird berichtet.

Bei den Angaben über die Todesursachen, die amtlichen Dokumenten entnommen sind, fällt auf, dass mehr als die Hälfte der Menschen an Tuberkulose, Lungenentzündung und „Lebensschwäche“ starben. Dies sind typische Folgen von Mangelernährung und körperlicher Überbelastung. Die extrem schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen stellen also die eigentlichen Todesursachen dar. Daneben sind Unglücksfälle bei der Arbeit und in der Freizeit zu nennen sowie einige Freitode.

Mindestens zwanzig Ausländer, zivile Zwangsarbeiter wie Kriegsgefangene,  fielen den Luftangriffen der letzten Kriegsmonate und dem Artilleriebeschuss zum Opfer, dem die Stadt Hameln während der letzten Kriegstage ausgesetzt war. Luftschutzkeller aufzusuchen, war den ausländischen Arbeitskräften verboten.
Todesopfer gab es auch unter den Teilnehmern der großen aus dem Ruhrgebiet „evakuierten“  Marschkolonnen von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern, die unmittelbar vor Kriegsende durch Hameln und das Kreisgebiet in Richtung Osten zogen. Namen und persönliche Datendieser Menschen sind behördlicherseits oftmals nicht registriert worden. Sie werden in der Dokumentation als „unbekannte Tote“ geführt.

Die Dokumentation führt 41 Männer auf, bei denen es sich nachweislich um Kriegsgefangene handelte. 14 waren „Militärinternierte“, also italienische Soldaten, denen das NS-Regime die für Kriegsgefangene geltenden Rechte verweigerte. Bei der Zahl der verstorbenen Kriegsgefangenen ist von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen. Die Todesfälle der sowjetischen Kriegsgefangenen wurden von den Standesämtern nicht beurkundet. Zudem ist in den in der Nachkriegszeit angelegten Toten- und Gräberlisten über verstorbene Ausländer selten eine eindeutige Zuordnung („Zivilarbeiter“ oder Kriegsgefangener) erkennbar.

Insgesamt kommen 438 (erwachsene) Opfer zur Darstellung; unter ihnen befinden sich 29 „unbekannte Tote“.

Unter den Erwachsenen waren Frauen mit 85 Opfern deutlich in der Minderheit. Bis auf zwei Belgierinnen stammten sie aus Polen, der Ukraine und Russland.

Weil es sich ausschließlich um Ausländer handelt, liegt eine Gliederung nach Staatsangehörigkeit nahe. Nach dem Todesort zu gliedern wäre wenig aussagekräftig, insbesondere weil Zwangsarbeiter, die in Landkreisgemeinden arbeiten mussten, in den zentralen Krankenhäusern Hamelns oder Bad Münders starben.

Nachfolgend sind die Totenzahlen nach Staatsangehörigkeit aufgeführt.

Sowjetunion (Russland, Ukraine, Weißrussland):
189
Polen:
162
Frankreich:
24
Italien:
23
Jugoslawien (vor allem Serben):
15
Niederlande:
12
Belgien:
8
Tschechien:
4
Slowakei:
1

 
Die Schreibweise mancher Personen- und Ortsnamen ist aufgrund mangelhafter Lesbarkeit der betreffenden Quelle oder wegen Transkriptionsfehlern nicht gesichert. Die für ausländische Ortsangaben benutzte (deutsche) Bezeichnung „Kreis“ wird hier in einem allgemeinen Sinne als regionales Verwaltungsgebiet verstanden.

Bei Angabe des Stadtkrankenhauses Hameln als Geburtsort von Zwangsarbeiterkindern und als Todesort von Kindern und Erwachsenen ist davon auszugehen, dass ab Sommer 1943 eine eigens für die als „Untermenschen“ Klassifizierten und Diskriminierten geschaffene Baracke gemeint ist, die vom Krankenhaus durch einen hohen Bretterzaun getrennt war.

Die in Hameln gegen Kriegsende gestorbenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wurden ohne Sarg in Massengräbern auf dem Hamelner Friedhof Wehl beigesetzt, und zwar auf dem abgesondert liegenden sog. „Russenfriedhof“ aus dem Ersten Weltkrieg, auch „alter Kriegsgefangenenfriedhof“ genannt. Diese Gräber sind erhalten, die Namen auf nachträglich gesetzten Stelen aus Rotsandstein festgehalten.
 

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