Kalenderblatt - Bismarckturm

1. April 1910 - Einweihung des Bismarckturms

Vom Wald beinahe geschluckt -
Ein Monument der Kaiserzeit ist 100 Jahre alt

Am 9. Oktober 1901 erschien ein im pathetischen Stil der Kaiserzeit verfasster Aufruf in der Dewezet. Überall „im deutschen Vaterlande“ würden Otto von Bismarck, dieser „Kolossalfigur der Weltgeschichte“, jetzt Bismarcksäulen erbaut, auf denen man am Geburtstag des Reichsgründers große Feuer entzünden wolle. „Und da sollte Stadt und Kreis Hameln zurückstehen? Nein! Inmitten unseres Waldes, unter dem Rauschen der Eichen und Buchen, umwogt vom Duft der Tannen, soll dem Baumeister des neuen Reiches ein Denkstein errichtet werden.“

Kurz darauf fand eine gut besuchte Versammlung statt (vgl. Dewezet vom 18. November 1901). Über die Absicht, eine „Säule“ zu errichten, herrschte Einvernehmen. Der Hamelner Baurat Koch schlug vor, den preisgekrönten Entwurf des Architekten Wilhelm Kreis auszuführen. Standort sollte ein erhöht gelegener stadtnaher Platz mit Blick ins Wesertal sein. Zur Realisierung des Vorhabens wurde ein Ausschuss gebildet. Frohgemut schritt man ans Werk.

Die Idee der Bismarcktürme entstand vor dem Hintergrund der enormen Popularität des ehemaligen Reichskanzlers, die nach dessen Tod 1898 noch eine Steigerung erfuhr. Aus ähnlichen Initiativen wie in Hameln gingen in Deutschland insgesamt 184 Bauwerke hervor. 47 dieser Türme orientierten sich an dem Entwurf „Götterdämmerung“ von Wilhelm Kreis, der 1899 aus einem Wettbewerb der deutschnational dominierten Deutschen Studentenschaft als Sieger hervorgegangen war.

Der Bau des Hamelner Bismarckturms musste durch Spenden finanziert werden, die nur aus den Kreisen des Adels, der Landwirte, des konservativen Bürgertums und der Handwerker zu erwarten waren. Die Finanzierung erwies sich als schwierig. Mitte des Jahres 1905 war erst die Hälfte der benötigten Mittel aufgebracht. Im Frühjahr 1906 klärte sich die Standortfrage: Die Stadt stellte das zum Basberg gehörende Gelände der Knabenburg kostenlos zur Verfügung.

 
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Für den 1. April 1909, Bismarcks Geburtstag, war endlich die Grundsteinlegung geplant. Sie wurde noch einmal verschoben, weil die Kostenobergrenze von 14.000 Mark gesprengt zu werden drohte. Nach einer Reduzierung der Turmhöhe auf 13,35 Meter konnte dann am 12. August 1909 der Grundstein gelegt werden.

Bismarck
Als der Bismarckturm 1910 eingeweiht wurde, war die Knabenburg eine
unbewaldete Kuppe (Quelle: Stadtarchiv Hameln).

Zur feierlichen „Weihe“ am 1. April 1910 hatte sich das offizielle Hameln versammelt. Inmitten der korrekten Gehröcke und glänzenden Uniformen leuchtete der Flor ganz in Weiß gekleideter Ehrendamen hervor. Der Direktor des Gymnasiums Eberhard Erythropel deklamierte:

„Es ragt der Turm aus den Quadern unserer Berge geschichtet, ein Denkmal des Dankes, ein Wahrzeichen der Einigkeit, eine Erinnerung an große Tage und Taten unseres Volkes, eine Mahnung für uns und ferne kommende Geschlechter, … ein Symbol der Kraft, des Willens und der markigen Gestalt des Alten aus dem Sachsenwalde.“

 
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Doch es gab auch negative Resonanz. Bald zirkulierte ein Flugblatt, das unter der Überschrift „Protest! Hannoveraner!“ scharfe Kritik übte. Der Bau sei ein „Schlag ins Antlitz des treuen hannoverschen Volkes“, ein Zeugnis „der Schmach, der Selbsterniedrigung“. Hinter dem Flugblatt steckten welfentreue Kreise, die sich über 40 Jahre nach der Zerschlagung des Königreiches Hannover durch Bismarck (1866) nicht mit den politischen Verhältnissen arrangieren konnten.

Wir wissen nicht, wie oft das Feuer in der Schale des Turmes entfacht wurde um die Kulisse für säbelrasselnde Feiern zu bilden. Fest steht nur, dass der „vaterländische Geist“ seine Erbauer vier Jahre nach der „Weihe“ in den Ersten Weltkrieg führte. Heute hat der Wald diesen steinernen Zeugen des von Bismarck „durch Eisen und Blut“ gegründeten Deutschen Reiches fast verschluckt.

Autor: Bernhard Gelderblom

  

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