Orte der Erinnerung für die Opfer des Nationalsozialismus
im Kreis Hameln-Pyrmont und angrenzenden Orten

Salzhemmendorf - Jüdisches

Texte und Fotos: Bernhard Gelderblom
 

Jüdischer Friedhof

Lage und Größe:   langgezogener, von einer Hecke umgebener Geländestreifen am südöstlichen Ortsrande (Limberger Straße oberhalb des christlichen Friedhofes); 632 qm
 
Bestand an Steinen:   19 Steine (1816 bis 1932) aus einem größeren Bestand; einige leere Grabfelder
 
Daten zur Geschichte:   1938 zerstört und abgeräumt
nach 1945 Wiederaufstellung der erhalten gebliebenen Steine
nach einer neuerlichen Zerstörung im Jahre 1955 die Steine z.T. in Beton eingegossen
1962 und 1997 Instandsetzungen
 

 
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Info-Tafel auf dem jüdischen Friedhof

Text der Info-Tafel auf dem jüdischen Friedhof

Der jüdische Friedhof Salzhemmendorf

Der Friedhof der jüdischen Gemeinde in Salzhemmendorf, zu Beginn des 19. Jahrhunderts außerhalb des Dorfes angelegt, diente über 120 Jahre für Bestattungen. Der älteste Grabstein stammt aus dem Jahre 1816; die letzte Bestattung fand 1932 statt.

In der Pogromnacht des 9. November 1938 haben Nationalsozialisten die Grabsteine umgeworfen und die Heckeneinfriedung zerstört. Anschließend wurde das Grundstück zur Anpflanzung von Maulbeerbüschen genutzt.

Es ist offenbar dem damaligen Bürgermeister Heinrich Eickhoff zu verdanken, dass ein Teil der Grabsteine durch den Krieg gerettet wurde. Nach 1945 wurden 17 Grabsteine wieder aufgestellt. Die Anordnung in fortlaufender Reihe dürfte nicht ursprünglich sein. Jüdische Grabsteine schauen in der Regel nach Osten, dorthin, wo die Wiederkunft des Messias erwartet wird.

Anders als auf zahlreichen anderen Friedhöfen weisen die Grabsteine in Salzhemmendorf keine gezielten Beschädigungen auf. Leere Grabfelder, aber auch sonstige Lücken, weisen allerdings auf fehlende Grabsteine hin.

Der Friedhof ist im Besitz des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Niedersachsens. Nach jüdischem Verständnis haben Friedhöfe Ewigkeitsanspruch. Die Totenruhe darf unter keinen Umständen gestört werden.

Mit seinem vergleichsweise reichen Bestand an Steinen ist der Salzhemmendorfer Friedhof einer der wertvollsten Zeugen jüdischen Lebens im Landkreis Hameln-Pyrmont.

 

Die jüdische Gemeinde Salzhemmendorf

Die älteste Nachricht über Juden in Salzhemmendorf stammt aus dem Jahre 1686. Vor allem im 19. Jahrhundert war das jüdische Leben im Flecken mit zeitweise sechs Familien recht bedeutsam. Hier befanden sich Synagoge und Schule des Synagogenverbandes Salzhemmendorf, zu dem sich die Juden der Orte Lauenstein, Hemmendorf, Wallensen und Duingen zusammengeschlossen hatten. Das Zusammenleben von Christen und Juden war über einen langen Zeitraum gutnachbarschaftlich.

Das 250 Jahre dauernde jüdische Leben in Salzhemmendorf endete gewaltsam in der Zeit des Nationalsozialismus. Mit Gertrud Heilbronn verzog am 21. Oktober 1936 das letzte Mitglied dieser Familie aus Salzhemmendorf. Die vierköpfige Familie Davidsohn meldete sich nach den schrecklichen Ereignissen der Pogromnacht des 9. November 1938 am 24. Januar 1939 nach Hannover ab.

Als 1941 die Deportationen jüdischer Menschen in die Vernichtungslager begannen, hatte Salzhemmendorf keine jüdischen Einwohner mehr.

Vier Mitglieder der Familie Rosenstern, die von 1880 bis ca. 1910 in Salzhemmendorf lebte, wurden aus anderen Orten des Deutschen Reiches in die Vernichtungslager verschleppt und dort getötet.
Die Eheleute Emil und Helene Rosenstern wurden am 24. Juli 1942 aus Hannover in das Ghetto Theresienstadt deportiert, in das die Nazis ausschließlich ältere jüdische Menschen brachten. Von dort wurden beide am 29. September 1942 im Alter von 75 Jahren in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt.
Ella Alexander, als Ella Rosenstern 1879 in Salzhemmendorf zur Welt gekommen, wurde am 7. Dezember 1941 aus Köln in das Ghetto Riga deportiert.

Erich Rosenstern, 1899 in Salzhemmendorf geboren, wurde am 15. Dezember 1941 aus Hannover in das Ghetto Riga deportiert. Er starb am 22. Dezember 1944 im lettischen Libau.

 

Text:   Bernhard Gelderblom
Auftraggeber:   Flecken Salzhemmendorf
Eingeweiht:   15. Juni 2012
 

 
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Das Gebäude der ehemaligen Synagoge

Salzhemmendorf war Vorort eines größeren Synagogenverbandes und Ort der Synagoge. Der sog. Judentempel befand sich zuletzt in der Kampstraße 11, heute 9. Das Haus diente gleichzeitig dem Schlachter Davidsohn und seiner Familie als Wohnhaus.

Der Synagogenraum befand sich im Erdgeschoss rechts hinter den beiden Fenstern. Vor dem Gottesdienst, den der wohlhabende Salzhemmendorfer Kaufmann Moritz Heilbronn hielt, wurden der Verkaufstisch herausgestellt und ein Pult sowie Synagogenbänke hinein geräumt. Zum Gottesdienst kamen auch Juden aus anderen Orten des Synagogenverbandes, z. B. Binheims aus Duingen.

Nach Auskunft von Zeitzeugen hat morgens um 5 Uhr am 10. November 1938 die Salzhemmendorfer SA die Scheiben des Hauses zerschmissen, die Fenster kurz und klein geschlagen und die gesamte Inneneinrichtung des Synagogenraums zerstört. Andere sagen, die SS aus Lauenstein sei gekommen und habe das Zerstörungswerk getan. Offenbar hat der Salzhemmendorfer Bürgermeister Eickhoff das Anzünden der Synagoge verhindert. „Es kommt keine Spritze raus.“ Der ganze Kamp würde mit abbrennen.

Das Haus wurde 1938/39 von einem Privatmann gekauft und zum Wohnhaus umgebaut. Der Synagogenraum diente zunächst als Schweinestall. Aus dem Holz der zerschlagenen Synagogenbänke hätten die neuen Besitzer eine Bank gebaut, die sie "Judenbank" nannten.

 
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Die Synagoge der Salzhemmendorfer Juden

Text der Gedenktafel für die ehemalige Synagoge

In diesem Gebäude befand sich von 1844 bis 1938 die Synagoge der Salzhemmendorfer Juden. Auch die jüdischen Einwohner der benachbarten Orte Lauenstein, Hemmendorf, Wallensen und Duingen kamen am Sabbath zum Gottesdienst nach Salzhemmendorf.

Der Synagogenraum oder „Judentempel“, wie die christlichen Einwohner Salzhemmendorfs sagten, lag im Erdgeschoss rechts und war mit dem Schrein für die kostbaren Thorarollen, Sitzbänken und einer Empore für die Frauen ausgestattet. Eine Zeitlang befand sich im Haus auch eine „Mikwe“, das rituelle Frauenbad.

Die übrigen Räume des Hauses wurden als Volksschule für die jüdischen Kinder aus Salzhemmendorf, Lauenstein, Hemmendorf und Wallensen genutzt. Im ersten Stock wohnte der Lehrer.

1903 musste die Volksschule schließen, weil die Zahl der Kinder sehr stark zurückgegangen war. Die jüdische Gemeinde vermietete das Haus daraufhin an den jüdischen Schlachter Robert Davidsohn, der an der Hofseite ein Schlachthaus anbaute. Der Synagogenraum blieb unangetastet und wurde an den hohen jüdischen Feiertagen weiter für Gottesdienste genutzt.

Am 12. Oktober 1938 zwangen die Nationalsozialisten Robert Davidsohn, sein Geschäft zu schließen. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, als in Deutschland die Synagogen brannten, stürmten heimische SA-Männer das Haus und zerschlugen die Inneneinrichtung der Synagoge.

Robert Davidsohn und seinen damals 16 Jahre alten Sohn Erich verschleppte die Gestapo in das KZ Buchenwald, wo entsetzliche Zustände herrschten. Ehefrau Elfriede flüchtete mit Stieftochter Juliane Guttmann zu Verwandten nach Hannover.

Nur unter der Zusage aus dem KZ entlassen, sofort auszuwandern, konnte Erich am 7. Februar 1939 mit einem sogenannten Kindertransport nach England entkommen. Die übrige Familie flüchtete Ende Mai 1939 nach Argentinien, wo sie sich mühevoll eine bescheidene bäuerliche Existenz aufbaute.

Das Haus kaufte eine benachbarte Familie. Seitdem erinnert nichts mehr daran, dass dort früher die Synagoge der jüdischen Gemeinde von Salzhemmendorf untergebracht war.

 

Text:   Bernhard Gelderblom
Auftraggeber:   Flecken Salzhemmendorf
Eingeweiht:   23. Januar 2015
 

 
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Erinnerungstafel am Rathaus Salzhemmendorf, dem ehemaligen Kaufhaus Heilbronn

Text der Erinnerungstafel am Rathaus Salzhemmendorf

Dieses Haus erbaute der jüdische Kaufmann Moritz Heilbronn 1922/23 als Wohn- und Geschäftshaus. Die Familie Heilbronn, die aus Wallensen stammte, war wohlhabend und in die Ortsgemeinschaft gut integriert.

1935 initiierten die Nationalsozialisten massive Boykotte gegen das Heilbronnsche Geschäft, die in kurzer Zeit zum Niedergang und zur Schließung am 1. Juni 1936 führten.

Moritz Heilbronn starb am 11. Oktober 1935, „aus Gram“ wegen der Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz. Seine Ehefrau Gertrud verließ Salzhemmendorf im Oktober 1936. Im Juni 1941 gelang ihr die Flucht vor der Verfolgung in die USA.

Das Haus wurde 1937 zwangsversteigert und diente seither der Kreissparkasse als Geschäftsstelle. Durch einen Grundstückstausch gelangte es 1966 an den Landkreis Hameln-Pyrmont. Am 1. Januar 1967 kaufte es der Flecken Salzhemmendorf, der es seitdem als Rathaus nutzt.

Die heutige Baugestalt des Hauses ist gegenüber der ursprünglichen verändert. Die Eingangstür zum Geschäft befand sich – gerahmt von zwei Schaufenstern – auf der Straßenseite. Davor lag eine breite, doppelläufige Treppe.

 

Text:   Bernhard Gelderblom
Auftraggeber:   Flecken Salzhemmendorf
Eingeweiht:   22. Juni 2010
 

 
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